‘Sinners’ Kritik: Ryan Cooglers blutgetränktes southern gothic horror meisterwerk
Seit ich im Jahr 2013 zum ersten Mal meinen verstorbenen Vater bei Fruitvale Station weinen sah, ist meine Liebe zu Ryan Coogler stetig gewachsen. Schon damals war ich sofort tief bewegt von der Sensibilität, Tiefe und Menschlichkeit, mit der Coogler die Geschichte von Oscar Grant erzählte. Für mich stand fest: Hier ist ein Regisseur, der nicht nur filmt – er fühlt, versteht und kämpft mit seiner Kunst. Seitdem hat sich meine Bewunderung für ihn nur noch verstärkt, und im Laufe der Jahre ist er zu einem meiner absoluten Lieblingsregisseure geworden.
Als leidenschaftlicher Cineast war es für mich eine große Freude, Cooglers Werdegang Schritt für Schritt mitzuerleben – angefangen beim Indie-Durchbruch bis hin zu Black Panther. Besonders beeindruckend ist dabei seine enge Zusammenarbeit mit langjährigen Weggefährten: Schauspieler Michael B. Jordan, der inzwischen regelrecht zu seiner Muse geworden ist, und Komponist Ludwig Göransson, dessen musikalische Handschrift Cooglers Filme unverkennbar prägt. Gemeinsam hat dieses kreative Trio sich kontinuierlich weiterentwickelt. Zugleich ist es ihnen gelungen, stets Themen in den Mittelpunkt zu stellen, die für Schwarze Communities weltweit von zentraler Bedeutung sind.
Was viele nicht wissen: Zur Zeit von Fruitvale Station war ich tief in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas verwurzelt – einer religiösen Umgebung, die mir verbot, einen Großteil der Filmwelt überhaupt kennenzulernen. Horror? Verboten. Übernatürliches? Teuflisch. Vampire? Undenkbar. Etwa 50 % aller Filme blieben mir verschlossen. Viele Schwarze Kreative haben ähnliche religiöse Repressionen erlebt, doch kaum jemand hat diese inneren Kämpfe in seiner Kunst reflektiert.
Und genau hier kommt Sinners ins Spiel – Cooglers erster Originalfilm seit über einem Jahrzehnt. Ein Southern-Gothic-Horrorfilm, der sich nicht nur vor Genre-Grenzen scheut, sondern auch mutig die religiösen Fundamente Amerikas seziert. Mit Biss, mit Wut, mit Tiefe. Sinners ist die filmische Katharsis einer ganzen Generation – und für mich persönlich der endgültige Beweis, dass Coogler zu den großen Stimmen des Schwarzen Kinos gehört.
FSK-Freigabe: Ab 18 Jahren (Starke blutige Gewaltdarstellungen, sexuelle Inhalte und Sprache)
Laufzeit: 2 Stunden und 17 Minuten
Produktionsfirma: Proximity Media
Verleih: Warner Bros. Pictures
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler
Besetzung: Michael B. Jordan, Hailee Steinfeld, Miles Caton, Jack O’Connell, Wunmi Mosaku, Jayme Lawson, Omar Miller, Li Jun Li, Delroy Lindo, Yao, Lola Kirke, Peter Dreimanis, Saul Williams
Kinostart: 18. April 2025
Club Juke: Dämonen, Blues und der Kampf um schwarze Selbstbestimmung im Jim-Crow-Süden
1932, auf dem Höhepunkt der Jim-Crow-Ära. Die berüchtigten Gangster-Zwillinge Smoke und Stack (beide gespielt von Michael B. Jordan) kehren aus Chicago mit einem Koffer voll Bargeld zurück in ihre von Armut und Rassismus geprägte Heimatstadt Clarksdale, Mississippi. Ihr Ziel: In einer verfallenen Mühle einen Juke Joint zu eröffnen – einen Ort der Musik, des Tanzes und der schwarzen Selbstbestimmung. Mit im Gepäck: eine Vision von Freiheit, Stolz und Vergeltung.
Sie holen ihren jüngeren Cousin Sammie (Miles Canton) ab – ein schüchternes, aber musikalisch außergewöhnliches Blues-Talent, das unter dem strengen Regiment seines Vaters, eines fundamentalistischen Predigers, aufgewachsen ist. Für Sammie ist dieser Neuanfang Chance und Risiko zugleich – denn mit der Musik weckt er mehr als nur Emotionen.
Smoke, der ruhige Stratege, stellt sorgfältig eine Crew zusammen: das chinesisch-amerikanische Bodega-Betreiberpaar Grace (Li Jun Li) und Bo Chow (Yao), das jahrelang unter dem Radar gelebt hat, und seine mystische Vertraute, die Hoodoo-Priesterin Annie (Wunmi Mosaku), die mit ihrer spirituellen Weisheit den Club energetisch absichert. Parallel rekrutieren der hitzköpfige Stack und Sammie den trinkfesten, aber genialen Delta Slim (Delroy Lindo) als Mundharmonikaspieler sowie Cornbread (Omar Miller), einen ehemaligen Boxer mit sanftem Herz, für die Türsicherheit. Während einer ihrer Besorgungstouren trifft Stack unerwartet auf seine einstige große Liebe Mary (Hailee Steinfeld), was alte Gefühle und neue Konflikte aufflammen lässt.
Bei Einbruch der Nacht öffnen sich die Türen des Club Juke. Die Schwarze Arbeiterklasse strömt zusammen – voller Hoffnung, Lust auf Freiheit und Durst nach Musik. Doch als Sammie zum Mikrofon greift und seine bittersüßen Blues-Songs erklingen lässt, passiert etwas Unheimliches: Der Sound ruft eine geflügelte, dämonische Kreatur (Jack O’Connell) auf den Plan – eine Manifestation unterdrückter Wut und kultureller Aneignung, die weit mehr als Unterhaltung im Sinn hat.
Wir sind der führende Anbieter hochwertiger 4K-IPTV-Dienste mit günstigen IPTV-Abonnements und einem breiten Content-Angebot. Wir sind die Nummer eins
Ryan kehrt zu seinen tiefsten Wurzeln zurück
Zurück zu den Wurzeln: Wie Sinners Ryan Cooglers Meisterschaft als Geschichtenerzähler neu entfacht
Nach Jahren, in denen Ryan Coogler ausschließlich innerhalb bestehender Franchises wie Creed und Black Panther gearbeitet hat, befreit er sich mit Sinners endlich aus diesen kreativen Fesseln und kehrt zu seinen Wurzeln als Geschichtenerzähler zurück. Der erste Akt erinnert stark an Fruitvale Station, denn auch hier entfaltet Coogler mit großer Sorgfalt die Ereignisse eines schicksalhaften Tages. Er führt die Zwillinge Smoke und Stack als archetypische verlorene Söhne ein, und jede Szene ihrer triumphalen, aber unheilvollen Rückkehr zeichnet ein detailliertes, atmosphärisches Porträt des amerikanischen Südens zur Zeit der Jim-Crow-Gesetze. Jede Figur, der Smoke und Stack in ihrer Heimat begegnen, ist lebendig, pointiert und mit südlichem Witz und Charme versehen. Auf ihre ganz eigene Weise tragen sie alle zum Humor des Films bei – einem Humor, der die Widerstandskraft Schwarzer Menschen widerspiegelt.
Mit solcher Hingabe sorgt er dafür, dass man sich in jede Figur investiert, sodass man – wenn die Hölle losbricht – ihnen beim Überlebenskampf zusieht, als hinge das eigene Leben davon ab, als läge der Holzpflock nur Zentimeter vom eigenen Herzen entfernt.
Auch Autumn Durald Arkapaws beeindruckende Kameraarbeit trägt entscheidend dazu bei, dass man in den Film eintaucht. Schwarze Menschen in all ihren Hauttönen, an Originalschauplätzen, in ihrer natürlichen Schönheit und in warmen Orange-Braun-Tönen auf der größten Leinwand zu sehen – insbesondere während der Konzertszenen – kann einem Tränen der Rührung in die Augen treiben und ein gewaltiges Gefühl von FOMO hinterlassen. Ich flehe euch an: Wenn möglich, schaut ihn in IMAX 70mm. Der Film wurde in 70mm mit IMAX- und Ultra-Panavision-Kameras gedreht, wodurch sich das Bildformat im Verlauf zwischen extrem hoch und extrem breit verändert – ein einzigartiges Zelluloid-Kinoerlebnis und das wohl eindrucksvollste des Jahres. Die Filmkopie ist satt, körnig und passt perfekt zum gotischen Stil des Werks.
Michael B. Jordan führt das blutstarke Ensemble von Sinners an
Michael B. Jordans Doppelrolle als die ungleichen Zwillingsbrüder Smoke und Stack – gemeinsam bekannt als die SmokeStack-Zwillinge – ist schlichtweg herausragend und absolut grandios. Mit einer faszinierenden Leichtigkeit gelingt es ihm, jeder der beiden Figuren eine ganz eigene Körpersprache, individuelle Sprechweise und eine tiefgehende innere Welt zu verleihen. Besonders in den intimen Momenten zwischen den Brüdern entsteht eine besondere Verbindung, die an die emotionale Tiefe von „Memoir of a Snail“ von Adam Elliot erinnert – zwei Seelen, die sich ein Herz teilen. Diese brüderliche Beziehung verleiht dem gesamten Film eine emotionale Intensität und Tiefe, die weit über das übliche Genre-Kino hinausgeht. Gerade in Szenen, in denen sie allein sind, aber dennoch einander Halt geben, schimmert eine stille, fast greifbare Tragik durch, die das Publikum nachhaltig berührt und zum Nachdenken anregt.
Doch nicht nur Jordan überzeugt in seiner Doppelrolle, auch sein Zusammenspiel mit dem übrigen Ensemble ist bemerkenswert. Die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt bis ins kleinste Detail und ist ein wahrer Glücksfall. Ihre Präsenz wirkt dabei zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt oder künstlich, sondern fügt sich harmonisch und organisch in die mystische und geheimnisvolle Atmosphäre des Films ein. Ebenso beeindruckend ist Delroy Lindo als abgehalfterter Musiker Delta Slim, der mit einer Darbietung voller Witz, Weisheit und Wehmut überzeugt – eine komplexe Figur, die gleichermaßen berührt und zum Schmunzeln bringt. Nicht zu vergessen ist Hailee Steinfeld, die trotz vergleichsweise kurzer Screentime mit einer beeindruckenden Selbstsicherheit und Präsenz jede Szene, in der sie auftritt, prägt und unvergesslich macht.
Diese ausgewogene Besetzung und die vielschichtigen Charaktere tragen maßgeblich zum Erfolg des Films bei und machen ihn zu einem cineastischen Erlebnis, das sowohl emotional als auch erzählerisch überzeugt.
Am meisten jedoch überrascht Miles Caton. Tatsächlich bildet er das Herz des Films. In seiner allerersten Kinorolle spielt er den jungen Sammie mit einer Mischung aus Sensibilität und innerer Kraft, die schlichtweg überwältigend ist. Seine Stimme – rau, ehrlich, durchdringend – ist ein Ereignis für sich. Doch es ist nicht nur seine musikalische Leistung, die besticht. Damit liefert er eine nuancierte Performance, wie man sie bei einem Debüt nur äußerst selten erlebt.
Ohne Frage: Miles Caton ist die Entdeckung des Jahres – und womöglich schon jetzt ein Star von morgen.
Coogler liefert eine bissige Gesellschaftskritik, die für Aufsehen sorgen wird
Lassen Sie mich eines klarstellen: Sinners ist ein lupenreiner Vampir-Horrorfilm – und er hält, was er verspricht: eine blutgetränkte, chaotische Höllenfahrt. Cooglers Regie ist herrlich altmodisch, denn er setzt auf praktische Blutspritzer und magenverdrehendes Prothesen-Make-up statt auf das studioverordnete CGI-Gedöns. Beeindruckend und außergewöhnlich inspiriert, gerade weil es sein erster Ausflug in dieses Genre ist. Auch mythologisch betrachtet liebe ich es, wie der Film die Regeln wieder auf das Wesentliche reduziert – allen voran: Lass sie nicht in dein Haus. Vampire können dir nichts anhaben, solange sie nicht zur Grillparty eingeladen wurden.
Doch die Vampire sind mehr als nur blutdurstige Dämonen mit Reißzähnen. Sie dienen Coogler dazu, zwei mutige gesellschaftliche Kommentare zu setzen. Der erste betrifft die kulturelle Aneignung von Musik. Durch Sammie – das wahre Herz und die Seele des Films – verknüpft der Film westafrikanische Folklore mit der Geschichte Schwarzer Musik auf geniale Weise. Denn Sinners ist, unter seinen vielen genreübergreifenden Identitäten, auch ein Musical. Und fangen wir gar nicht erst mit Ludwig Göranssons herausragendem Score an! In einer atemberaubenden, ungeschnittenen Kamerafahrt – zweifellos die beeindruckendste Filmszene des Jahres – zollt Coogler den Architekten der Musik aller Genres durch Zeit und Raum hinweg einen kraftvollen Tribut.
Sobald Jack O’Connells herrlich teuflischer Remmick auftritt – angelockt durch den Klang – beißt sich Coogler mit Wucht in die Thematik: Schwarze Kunst und Originalität werden von Blutsaugern absorbiert und kopiert – von Pat Boones Tutti Frutti-Cover bis hin zu Addison Raes fade TikTok-Tänzen bei Jimmy Fallon.
Nicht Rassismus. Wie bei den anderen Themen des Films geht Coogler auch hier noch einen Schritt weiter. Der physische Konflikt zwischen den Feiernden im Club Juke und ihrem irisch-vampirischen Widersacher – sowie die ironischen kulturellen Schnittpunkte – verkörpern Cooglers scharfe Religionskritik. Der Titel Sinners wird dadurch neu kontextualisiert: Religion wird als subtile Kraft entlarvt, die wahre Schwarze Befreiung unterdrückt. Das wird einige Leute ganz sicher verärgern.
Aber als jemand, der selbst einmal in Sammies Haut gesteckt hat, war ich völlig dabei. Und ich hoffe, es wirkt ebenso auf andere Schwarze Menschen, die in der Kirche aufgewachsen sind. Beim ersten Ansehen gibt es viel Subtext zu verarbeiten. Aber beim zweiten Mal machte alles Klick – und ich war völlig überwältigt.
SCHLUSSERKLÄRUNG
Wir haben Michael Man—äh, Mr. Rob—äh, Jason Bour—äh, Tony Scot—äh, Edward Snowden zu Hause.