‘Sinners’ Kritik: Ryan Cooglers blutgetränktes southern gothic horror meisterwerk
Seit ich im Jahr 2013 zum ersten Mal meinen verstorbenen Vater bei Fruitvale Station weinen sah, ist meine Liebe zu Ryan Coogler stetig gewachsen. Schon damals war ich sofort tief bewegt von der Sensibilität, Tiefe und Menschlichkeit, mit der Coogler die Geschichte von Oscar Grant erzählte. Für mich stand fest: Hier ist ein Regisseur, der nicht nur filmt – er fühlt, versteht und kämpft mit seiner Kunst. Seitdem hat sich meine Bewunderung für ihn nur noch verstärkt, und im Laufe der Jahre ist er zu einem meiner absoluten Lieblingsregisseure geworden.
Als leidenschaftlicher Cineast war es für mich eine große Freude, Cooglers Werdegang Schritt für Schritt mitzuerleben – angefangen beim Indie-Durchbruch bis hin zu Black Panther. Besonders beeindruckend ist dabei seine enge Zusammenarbeit mit langjährigen Weggefährten: Schauspieler Michael B. Jordan, der inzwischen regelrecht zu seiner Muse geworden ist, und Komponist Ludwig Göransson, dessen musikalische Handschrift Cooglers Filme unverkennbar prägt. Gemeinsam hat dieses kreative Trio sich kontinuierlich weiterentwickelt. Zugleich ist es ihnen gelungen, stets Themen in den Mittelpunkt zu stellen, die für Schwarze Communities weltweit von zentraler Bedeutung sind.
Der neue Film von Ryan Coogler ist nicht nur eine Rückkehr zum Originaldrehbuch, sondern auch ein radikaler Befreiungsschlag – sowohl persönlich als auch kulturell. Sinners wagt, wovor viele zurückschrecken: eine schonungslose Auseinandersetzung mit Glauben, Angst und Identität.
Was viele nicht wissen: Zur Zeit seines Durchbruchs mit Fruitvale Station war Ryan Coogler tief in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas verwurzelt – einer Umgebung, in der das meiste, was Kino zu bieten hat, als verboten galt.
Horror? Nicht erlaubt.
Übernatürliches? Teuflisch.
Vampire, Dämonen, Magie? Absolutes Tabu.
Über die Hälfte aller Filme war für ihn schlichtweg unerreichbar. Diese kulturelle Isolation prägte nicht nur seinen Blick auf die Filmwelt, sondern auch sein Bedürfnis, sich filmisch zu befreien.
Cooglers Geschichte ist keine Ausnahme: Viele Schwarze Kreative teilen ähnliche Erfahrungen von religiöser Repression. Doch nur wenige haben es gewagt, diesen Konflikt zwischen Glaube, Angst und Selbstverwirklichung offen in ihrer Kunst zu verarbeiten. Genau hier setzt Sinners an.
Mit Sinners liefert Coogler seinen ersten Originalfilm seit über zehn Jahren – und er lässt dabei alle Konventionen hinter sich. Der Film ist ein kompromissloser Southern-Gothic-Horror, der sich nicht nur an Genregrenzen abarbeitet, sondern auch die religiösen Fundamente Amerikas hinterfragt.
Sinners ist kein klassischer Horrorfilm. Es ist ein Werk, das mit Biss, Wut und Tiefe die Schattenseiten des Glaubens beleuchtet – und gleichzeitig ein emotionaler Befreiungsschlag für eine ganze Generation, die zwischen Spiritualität, Trauma und Selbstermächtigung zerrieben wurde.
Für Coogler selbst ist es mehr als nur ein Film – es ist seine filmische Katharsis, sein persönlicher Exorzismus, und zugleich der endgültige Beweis, dass er zu den bedeutendsten Stimmen im zeitgenössischen Schwarzen Kino gehört.
FSK-Freigabe: Ab 18 Jahren (Starke blutige Gewaltdarstellungen, sexuelle Inhalte und Sprache)
Laufzeit: 2 Stunden und 17 Minuten
Produktionsfirma: Proximity Media
Verleih: Warner Bros. Pictures
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler
Besetzung: Michael B. Jordan, Hailee Steinfeld, Miles Caton, Jack O’Connell, Wunmi Mosaku, Jayme Lawson, Omar Miller, Li Jun Li, Delroy Lindo, Yao, Lola Kirke, Peter Dreimanis, Saul Williams
Kinostart: 18. April 2025
Im Mississippi des Jahres 1932, zur Zeit der rassistischen Jim-Crow-Gesetze, entfaltet sich in Clarksdale ein außergewöhnliches Drama. Im Mittelpunkt: zwei kriminelle Zwillingsbrüder und ihr Traum von einem Ort der schwarzen Selbstermächtigung.
Die berüchtigten Zwillingsbrüder Smoke und Stack (beide gespielt von Michael B. Jordan) kehren aus Chicago zurück – mit einem Koffer voll Bargeld und einem kompromisslosen Plan. In einer verfallenen Mühle in Clarksdale wollen sie einen Juke Joint eröffnen: einen Ort für Musik, Tanz, Gemeinschaft und Widerstand.
Der Club soll nicht nur Vergnügen bieten, sondern auch ein Zeichen setzen. Musik als Waffe, Rhythmus als Rebellion – die Brüder wollen ein Bollwerk gegen Armut, Rassismus und kulturelle Unterdrückung schaffen.
Mit ihnen reist Sammie (Miles Canton), ihr talentierter junger Cousin, der unter der strengen Erziehung eines fundamentalistischen Predigers aufgewachsen ist. Schüchtern, aber musikalisch brillant, wird er bald zur emotionalen Seele des Projekts – und zum Auslöser dunkler Kräfte.
Smoke, der kühle Stratege, versammelt:
Grace (Li Jun Li) und Bo Chow (Yao), ein chinesisch-amerikanisches Paar mit eigenen Narben der Ausgrenzung
Annie (Wunmi Mosaku), eine Hoodoo-Priesterin, die den Club mit spiritueller Kraft schützt
Stack und Sammie ergänzen das Team durch:
Delta Slim (Delroy Lindo), ein genialer, wenn auch trinkfreudiger Mundharmonikaspieler
Cornbread (Omar Miller), ein sanftmütiger Ex-Boxer, der als Türsteher für Ruhe sorgt
Mary (Hailee Steinfeld), Stacks ehemalige große Liebe – ihre Wiederbegegnung bringt alte Wunden ans Licht
Als der Club erstmals öffnet, strömt die Schwarze Arbeiterklasse herbei – voller Hoffnung, voller Wut, voller Sehnsucht nach Freiheit. Die Musik beginnt, der Bass pocht, das Bier fließt – und dann steht Sammie am Mikrofon.
Doch seine Lieder wecken mehr als Emotionen: Der Blues beschwört eine geflügelte, dämonische Kreatur (Jack O’Connell) herauf – ein Symbol unterdrückter Wut und kultureller Aneignung. Was als Befreiung gedacht war, wird zum Kampf gegen das Übernatürliche.
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Ryan kehrt zu seinen tiefsten Wurzeln zurück
Nach Jahren innerhalb der Blockbuster-Franchises Creed und Black Panther kehrt Ryan Coogler mit Sinners zu seinen erzählerischen Wurzeln zurück – und sprengt damit endlich die kreativen Fesseln des Studiosystems.
Sinners ist Cooglers erster Originalfilm seit über einem Jahrzehnt, und das spürt man in jeder Szene. Der erste Akt erinnert atmosphärisch stark an Fruitvale Station: Mit sensibler Kamera und präzisem Timing entfaltet sich der Ablauf eines einzigen, schicksalhaften Tages im Jim-Crow-Süden.
Im Zentrum stehen die Zwillinge Smoke und Stack – archetypische verlorene Söhne, die mit Geld, Charisma und Narben zurückkehren. Ihre Begegnungen mit alten Weggefährten und neuen Figuren erschaffen ein lebendiges Porträt des schwarzen Südens: voll Witz, Charme, Stolz – und Schmerz.
Coogler baut mit enormer Sorgfalt emotionale Bindungen zu seinen Figuren auf. Dadurch fühlt sich der Zuschauer tief involviert – und wenn der Horror ausbricht, wird der Überlebenskampf unmittelbar und körperlich spürbar.
Jede Szene wirkt so greifbar, dass man unwillkürlich mitzittert. Der Film entwickelt eine emotionale Sogkraft, bei der man den Eindruck hat, der Holzpflock sei nur Zentimeter vom eigenen Herzen entfernt.
Die Kameraarbeit von Autumn Durald Arkapaw ist schlichtweg atemberaubend. Sie fängt schwarze Haut in all ihren Schattierungen mit natürlichem Licht, warmen Orange-Braun-Tönen und einem tief humanistischen Blick ein. Besonders während der Konzertszenen entfaltet das Bild eine emotionale Wucht, die Tränen in die Augen treiben kann.
Sinners wurde mit IMAX- und Ultra-Panavision-Kameras in 70mm gedreht – ein echtes Zelluloid-Erlebnis, wie es sie heute kaum noch gibt. Das Bildformat wechselt während des Films zwischen extrem breit und extrem hoch, was nicht nur technisch, sondern auch emotional beeindruckt. Die Filmkopie ist satt, körnig und perfekt abgestimmt auf den gotischen Ton des Werks.
Michael B. Jordan führt das blutstarke Ensemble von Sinners an
Michael B. Jordans Doppelrolle als die ungleichen Zwillingsbrüder Smoke und Stack – gemeinsam bekannt als die SmokeStack-Zwillinge – ist schlichtweg herausragend und absolut grandios. Mit einer faszinierenden Leichtigkeit gelingt es ihm, jeder der beiden Figuren eine ganz eigene Körpersprache, individuelle Sprechweise und eine tiefgehende innere Welt zu verleihen. Besonders in den intimen Momenten zwischen den Brüdern entsteht eine besondere Verbindung, die an die emotionale Tiefe von „Memoir of a Snail“ von Adam Elliot erinnert – zwei Seelen, die sich ein Herz teilen. Diese brüderliche Beziehung verleiht dem gesamten Film eine emotionale Intensität und Tiefe, die weit über das übliche Genre-Kino hinausgeht. Gerade in Szenen, in denen sie allein sind, aber dennoch einander Halt geben, schimmert eine stille, fast greifbare Tragik durch, die das Publikum nachhaltig berührt und zum Nachdenken anregt.
Doch nicht nur Jordan überzeugt in seiner Doppelrolle, auch sein Zusammenspiel mit dem übrigen Ensemble ist bemerkenswert. Die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt bis ins kleinste Detail und ist ein wahrer Glücksfall. Ihre Präsenz wirkt dabei zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt oder künstlich, sondern fügt sich harmonisch und organisch in die mystische und geheimnisvolle Atmosphäre des Films ein. Ebenso beeindruckend ist Delroy Lindo als abgehalfterter Musiker Delta Slim, der mit einer Darbietung voller Witz, Weisheit und Wehmut überzeugt – eine komplexe Figur, die gleichermaßen berührt und zum Schmunzeln bringt. Nicht zu vergessen ist Hailee Steinfeld, die trotz vergleichsweise kurzer Screentime mit einer beeindruckenden Selbstsicherheit und Präsenz jede Szene, in der sie auftritt, prägt und unvergesslich macht.
Diese ausgewogene Besetzung und die vielschichtigen Charaktere tragen maßgeblich zum Erfolg des Films bei und machen ihn zu einem cineastischen Erlebnis, das sowohl emotional als auch erzählerisch überzeugt.
Am meisten jedoch überrascht Miles Caton. Tatsächlich bildet er das Herz des Films. In seiner allerersten Kinorolle spielt er den jungen Sammie mit einer Mischung aus Sensibilität und innerer Kraft, die schlichtweg überwältigend ist. Seine Stimme – rau, ehrlich, durchdringend – ist ein Ereignis für sich. Doch es ist nicht nur seine musikalische Leistung, die besticht. Damit liefert er eine nuancierte Performance, wie man sie bei einem Debüt nur äußerst selten erlebt.
Ohne Frage: Miles Caton ist die Entdeckung des Jahres – und womöglich schon jetzt ein Star von morgen.
Coogler liefert eine bissige Gesellschaftskritik, die für Aufsehen sorgen wird
Lassen Sie mich eines klarstellen: Sinners ist ein lupenreiner Vampir-Horrorfilm – und er hält, was er verspricht: eine blutgetränkte, chaotische Höllenfahrt. Cooglers Regie ist herrlich altmodisch, denn er setzt auf praktische Blutspritzer und magenverdrehendes Prothesen-Make-up statt auf das studioverordnete CGI-Gedöns. Beeindruckend und außergewöhnlich inspiriert, gerade weil es sein erster Ausflug in dieses Genre ist. Auch mythologisch betrachtet liebe ich es, wie der Film die Regeln wieder auf das Wesentliche reduziert – allen voran: Lass sie nicht in dein Haus. Vampire können dir nichts anhaben, solange sie nicht zur Grillparty eingeladen wurden.
Doch die Vampire sind mehr als nur blutdurstige Dämonen mit Reißzähnen. Sie dienen Coogler dazu, zwei mutige gesellschaftliche Kommentare zu setzen. Der erste betrifft die kulturelle Aneignung von Musik. Durch Sammie – das wahre Herz und die Seele des Films – verknüpft der Film westafrikanische Folklore mit der Geschichte Schwarzer Musik auf geniale Weise. Denn Sinners ist, unter seinen vielen genreübergreifenden Identitäten, auch ein Musical. Und fangen wir gar nicht erst mit Ludwig Göranssons herausragendem Score an! In einer atemberaubenden, ungeschnittenen Kamerafahrt – zweifellos die beeindruckendste Filmszene des Jahres – zollt Coogler den Architekten der Musik aller Genres durch Zeit und Raum hinweg einen kraftvollen Tribut.
Sobald Jack O’Connells herrlich teuflischer Remmick auftritt – angelockt durch den Klang – beißt sich Coogler mit Wucht in die Thematik: Schwarze Kunst und Originalität werden von Blutsaugern absorbiert und kopiert – von Pat Boones Tutti Frutti-Cover bis hin zu Addison Raes fade TikTok-Tänzen bei Jimmy Fallon.
Nicht Rassismus. Wie bei den anderen Themen des Films geht Coogler auch hier noch einen Schritt weiter. Der physische Konflikt zwischen den Feiernden im Club Juke und ihrem irisch-vampirischen Widersacher – sowie die ironischen kulturellen Schnittpunkte – verkörpern Cooglers scharfe Religionskritik. Der Titel Sinners wird dadurch neu kontextualisiert: Religion wird als subtile Kraft entlarvt, die wahre Schwarze Befreiung unterdrückt. Das wird einige Leute ganz sicher verärgern.
Aber als jemand, der selbst einmal in Sammies Haut gesteckt hat, war ich völlig dabei. Und ich hoffe, es wirkt ebenso auf andere Schwarze Menschen, die in der Kirche aufgewachsen sind. Beim ersten Ansehen gibt es viel Subtext zu verarbeiten. Aber beim zweiten Mal machte alles Klick – und ich war völlig überwältigt.
SCHLUSSERKLÄRUNG
Wir haben Michael Man—äh, Mr. Rob—äh, Jason Bour—äh, Tony Scot—äh, Edward Snowden zu Hause.