‘Lurker’ Kritik: Alex Russell seziert die moderne Fankultur im messerscharfen Musikthriller
Alex Russells erster Spielfilm Lurker stellt die provokante Frage: Was geschieht, wenn ein bewunderter Künstler in der Mittelmäßigkeit stagniert und den Glanz verliert, der dich ursprünglich fesselte?
Wir alle haben miterlebt, wie Filmemacher, Schauspieler, Musiker oder Autoren in kommerzielle Bequemlichkeit abgleiten.
Der Psychothriller erforscht mutig die moderne Fankultur und wirft die Frage auf: Wie weit würdest du gehen, um den ursprünglichen Funken deines Idols wieder zu entfachen?
Die Handlung folgt einem obsessiven Fan, der den inneren Kreis eines aufstrebenden Künstlers infiltriert. Dabei beleuchtet der Film die intensiven Beziehungen und Beweggründe, die solch extreme Hingabe antreiben – mitten in der brodelnden Musikszene von Los Angeles.
FSK-Bewertung: R (durchgehende Sprache und einige sexuelle Inhalte)
Laufzeit: 1 Stunde und 41 Minuten
Produktionsfirmen: High Frequency Entertainment, MeMo Films, Twin Pictures
Vertrieb: MUBI
Regie: Alex Russell
Drehbuch: Alex Russell
Besetzung: Théodore Pellerin, Archie Madekwe, Zack Fox, Havana Rose Liu, Wale Onayemi, Daniel Zolghadri, Sunny Suljic
Kinostart: 22. August 2025
Der aufstrebende Musiker Oliver (Archie Madekwe) betritt den Laden, in dem Matthew (Théodore Pellerin) arbeitet, auf der Suche nach einem Outfit. Matthews Kollege Jamie (Sunny Suljic) ist ein eingefleischter Fanboy. Doch es ist Matthews Musikauswahl – einer von Olivers Lieblingssongs – die Olivers Aufmerksamkeit weckt.
Matthew hütet eine geheime Obsession für Oliver, die bis in dessen frühe Künstlerjahre zurückreicht. Durch ihre erste Annäherung lädt Oliver ihn backstage zu seiner Show ein. Schon bald integriert sich Matthew in Olivers engeren Kreis – darunter Managerin Shai (Havana Rose Liu), die Ja-Sager Swett (Zack Fox) und Bowen (Wale Onayemi) sowie Cutter und Kameramann Noah (Daniel Zolghadri).
Dort erfährt Matthew, dass er sich seinen Platz verdienen muss – und übernimmt die Rolle des Regisseurs für eine Dokumentation über Oliver. Doch während sich die Grenzen zwischen Freund, Untergebener und Fan zunehmend verwischen, entbrennt ein psychologisches Kräftemessen: Wer zieht im Hintergrund die Fäden – Oliver oder Matthew?
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Lurker verwebt einen fesselnden psychologischen Machtkampf inmitten der Musikszene
Erinnernd an Filme wie Saltburn und Ingrid Goes West folgt Lurker einem Einzelhändler, der sich geschickt in den inneren Kreis seiner Obsession einschleicht. Spannend ist, wie Alex Russell die Handlung im Gewand der modernen Musikindustrie von Los Angeles präsentiert.
Doch im Gegensatz zu Figuren wie Ingrid oder Oliver Quick zeigt der Film, wie tief Matthews Fanboy-Wurzeln reichen, während er zahlreiche Hindernisse überwindet, um Teil der Gruppe seines Idols zu werden. Dabei hält Russell das Publikum stets auf Distanz zu Matthews innersten Absichten.
Die wahre Magie von Lurker liegt in der vielschichtigen Charakterisierung von Oliver – einem talentierten, selbstgemachten Künstler, der sich in seiner kommerziellen Mittelmäßigkeit eingerichtet hat. Sein Zimmer, geschmückt mit gerahmten Postern des McDonald’s-Logos, Mickey Mouse und Jesus, spiegelt seine Leere wider: ein Künstler, der sich dem kommerzialisierten Status hingibt und dennoch ein enormes Ego pflegt.
Russell zeichnet ein modernes Abbild von Jesus und seinen Jüngern und deutet Oliver und sein Team entsprechend an – mit Matthew als Judas Iskariot. Doch dieser Judas führt nicht zur Kreuzigung, sondern zur Wiederauferstehung des eigenen Selbst.
Die kontrastreichen Darstellungen von Archie Madekwe und Théodore Pellerin sind absolut treffend und perfekt inszeniert
Hier zeigt sich, wo Archie Madekwe wirklich glänzt. Mit einem Dominic-Fike-ähnlichen Rhythmus, verstärkt durch die Originaltracks von Kenny Beats, verkörpert er überzeugend den Aufstieg eines kommenden Stars. Seine Menschlichkeit blitzt besonders in Momenten mit Matthew auf – mal charismatisch und inspirierend, mal unsicher, machtbesessen und emotional missbräuchlich.
Seine plötzlichen Augenbewegungen und das unheilvolle Grinsen, während seine Crew um Aufmerksamkeit ringt, verleihen der Figur eine Schwere, die Mitleid unmöglich macht, wenn sich die Machtverhältnisse verschieben. Madekwe liefert hier außergewöhnliche Charakterarbeit, geprägt von Demut und Macht, die Russells Studie eine neue Tiefe und Dimension verleiht.
Madekwes Darbietung wäre nicht so stark ohne die herausragende Hauptrolle von Théodore Pellerin. Die Chemie zwischen den beiden Schauspielern geht weit über eine zarte, liebevolle Beziehung hinaus – bis hin zu verstörendem homoerotischem Unterton –, was Matthews Figur eine neue Freiheit und Leichtigkeit schenkt.
Pellerins Performance hält das Publikum von Anfang bis Ende in Atem. Es ist ein unheimliches Spiel, das große Unruhe stiftet – vergleichbar mit Tim Robinsons Figur Craig in Friendship. Doch hier lacht niemand: Stattdessen herrscht pure Beklemmung und Angst.
Trotz seiner starken Verankerung als LA-Film übt Lurker scharfe Kritik an der Kultur der Stadt und der Oberflächlichkeit, die daraus entsteht. Vom sozial aufstrebenden Hintergrund über Olivers Gruppe – von der einige Mitglieder nur existieren, um sein Ego zu pushen – bis hin zur schnellen gesellschaftlichen Aufwertung anhand der Bekanntschaften, zeigt der Film die Mechanismen von Macht und Status.
Matthew wird immer wieder von jüngeren Leuten angesprochen, die seine Nähe zur Freundesgruppe von Oliver als Inspiration sehen. Wie Denzel Washington kürzlich in einem Highest 2 Lowest-Interview sagte:
“Beim Folgen muss man etwas bieten, wenn sie ankommen.”
Matthew nutzt seine neu gewonnene Anhängerschaft auf überraschend fesselnde Weise. Am besten beschreibt ihn sein Zitat:
“Wir wollen alle dasselbe, ich will es nur mehr.”
Dank des Kameramanns Patrick Scola (Sing Sing) wird Los Angeles mit einem immersiven Grit und nostalgischem Flair eingefangen, passend zu seiner zunehmenden Dunkelheit.
Im Gegensatz zu belanglosen Filmen à la Emerald Fennell erfährt Lurker eine dunkle, tonale Wendung, liefert jedoch eine Botschaft mit Substanz. Der Film beleuchtet den aktuellen Zustand der Unterhaltungsbranche und zeigt, wie Mittelmäßigkeit gefördert wird – sei es in Musik, Film oder Journalismus. Talente verlieren zunehmend ihre Individualität und Kreativität, häufig begünstigt durch Mitläufer und Trittbrettfahrer, die diese Mittelmäßigkeit ermöglichen.
Hätte The Weeknd einen Matthew an seiner Seite, könnten wir uns von Produktionen wie The Idol oder Hurry Up Tomorrow vielleicht befreien. Lurker kommt genau zur richtigen Zeit, um die Schattenseiten der modernen Unterhaltungswelt gnadenlos offenzulegen.
SCHLUSSERKLÄRUNG
Lurker ist ein fesselndes, verstörendes Porträt von Obsession mit subversiver, scharfer Kritik an der modernen Kunst, die Mittelmäßigkeit fördert, und denen, die den wahren Künstler voranbringen wollen.